2.1 Familienfreund Kirche

Die Kirche hat heute bei den Familien nicht mehr viel zu melden. Das war früher anders. Da führte sie die Personenregister, in denen Heiraten, Geburten und Todesfälle aufgezeichnet wurden. Sie entschied, wer eine Familie gründen durfte und wer nicht. Sie berücksichtigte dabei die Höhe von Einkommen und Vermögen und den Lebenswandel. Sie begleitete die Familien mit zahlreichen Geboten und Verboten und bestrafte Übertretungen. Eine Partnerschaft ohne kirchliche Mitwirkung wurde nicht geduldet.

Die hoheitlichen Funktionen nimmt heute der Staat wahr. Kirchliche Gebote und Verbote tauchen jedoch auch in seinem Familienrecht auf. Auf Änderungen der Familiengesetze nimmt die katholische Kirche über ihre Lobby-Büros Einfluss. Und sie verbreitet ihre Lehren durch eine massive Präsenz im Internet, wobei die Verbindung zur Kirche nicht immer zu erkennen ist. Es gibt also weiterhin gute Gründe, zur Kenntnis zu nehmen, was Kirche über Familie denkt, sagt und tut.

Wenn sie etwas über Familie sagt, geht es kaum jemals um Partnerschaft und das Aufziehen von Kindern. Ihr wichtigstes Anliegen war und ist es, den Sexualtrieb unter Kontrolle zu bringen. Der drängt Menschen zu sexueller Aktivität auch ohne festen Partner und ohne Wunsch auf Kinder. Die kommen dennoch, und wenn die Eltern sie nicht versorgen, fallen sie der Gemeinschaft zur Last. Um das zu verhindern, erfand die Kirche im 11. Jahrhundert die Ehe. Sie sollte ungezügelte Sexualität in geordnete Bahnen lenken. Sex ist nur in der Ehe erlaubt, befahl die Kirche. Das sei Gottes Wille, und das stehe schon in der Bibel, sagt sie. Warum es dann 1000 Jahre brauchte, bis die Kirche das merkte, sagt sie nicht.

Anderes merkte sie dann schneller:

  • dass die Ehe ein Sakrament ist, ein Zeichen für das Wirken Gottes;
  • dass eine eingegangene Ehe das ganze Leben zu dauern hat;
  • dass auch in einer Ehe Sex nur zur Zeugung von Nachkommen erlaubt ist;
  • dass künstliche Mittel zur Empfängnisverhütung verboten sind;
  • dass in einer ordentlichen Ehe der Mann arbeiten geht und die Frau Haushalt und Kinder versorgt.

Das alles sei Gottes Wille, und deswegen dürfe man daran nichts ändern, sagt die Kirche. Dass der Christengott in diesem Fall so unbeweglich sein soll, während die übrige Schöpfung ständige Veränderung, Verbesserung, Anpassung und Entwicklung vorsieht, ist verwunderlich.

Nicht überall, wo Gott drauf steht, ist Gott drin. Der Historiker Y.N. Harari zählt Götter zu den „Dingen, die es nicht gibt“, die aber dennoch Gemeinsamkeit in Glauben und Handeln hervorrufen (30 Aufl. 2018, S. 37). Mit dem „gemeinsam glauben“ ist es nicht immer weit her. Oft bestimmen die Anführer, was rechter Glaube ist, und den setzen sie mit Macht, Zwang und Gewalt durch. Oft erheben sie den Anspruch, dass ihre Lehre nicht nur für die Anhänger ihrer Gemeinschaft, sondern für alle Menschen gilt und bezeichnen Andersdenkende als „ungläubig“. Diesem fundamentalistischen Machtsanspruch begegnet man in Europa mit Ablehnung, wenn er aus dem Bereich des Islam erhoben wird. Kommt er jedoch von der katholischen Kirche, gilt er als normal, wird er toleriert und unterstützt.

In der Bevölkerung hat die Kirche nur noch wenig Rückhalt. Die Wirklichkeit heute ist eine andere als im Mittelalter, für das die Kirche ihre Gebote aufstellte. Mit sicheren Verhütungsmitteln lässt sich Sexualität ohne die Gefahr einer ungewollten Schwangerschaft erleben. Mit der Hausfrauenrolle und der damit verbundenen Abhängigkeit vom Mann sind immer weniger Frauen zufrieden und streben ihrerseits eine Berufstätigkeit an. Von einem Gott und einer Kirche, die eher gegen als für sie sind, wollen viele Menschen nichts mehr wissen. Der Anteil derer, die am Gemeindeleben teilnehmen, liegt bei beiden christlichen Konfessionen nur noch im einstelligen Prozentbereich.

Ganz anders stehen die Kirchen bei den Regierenden da. Auch sie üben Macht über Menschen aus. Auch sie setzen dafür Schuldzuweisung und Bestrafung ein. Auch sie fühlen sich selbst nicht an das gebunden, was sie anderen verordnen. Es wundert daher nicht, dass Politiker und Kirchenleute bei dem Beherrschen der Bürger so einträchtig zusammenarbeiten. Dabei gibt es jedoch ein Problem.

Seit 70 Jahren hat Deutschland eine demokratische Ordnung. In ihr ist die Ausübung und Kontrolle der Macht Regeln unterworfen, die mit dem undemokratischen, fundamentalistischen, autoritären Machtanspruch der katholischen Kirche schwer in Einklang zu bringen sind. Das kann man nicht vor den Bürgern ausbreiten, da muss man vieles verschweigen, verheimlichen, vertuschen und schönreden. Da muss man demokratische und rechtsstaatliche Grundsätze heimlich beiseite schieben und die Bürger über die wahren Motive täuschen. Um Aufklärung bemüht sich die Seite Kirchenfreund Staat.