2.2 Kirchenfreund Staat

Katholische Glaubensinhalte mit den Mitteln der Politik zu verbreiten, ist das Anliegen des politischen Katholizismus. Vertreter dieser Politik waren sowohl der CDU-Vorsitzende und erste Bundeskanzler Konrad Adenauer als auch der im Bundesministerium der Justiz (BMJ) für die Neuformulierung des Familienrechts zuständige Franz Massfeller. Der hatte diese Aufgabe bereits für die Nazis erledigt und musste sich dafür von seinen katholischen Überzeugungen nicht zu weit entfernen. Das brauchte er auch in der Bundesrepublik nicht.

Bei seiner katholisch-nationalsozialistischen Familienpolitik steht nicht die Familie sondern die Ehe im Mittelpunkt. Wenn sich ein Paar heute in einem Standesamt das Ja-Wort gibt, bekommt es automatisch eine katholische Ehe verpasst. Das sagt ihnen niemand, das ist nirgendwo groß- oder kleingedruckt, das ist für die Eheleute nicht spürbar, und das spielt auch keine Rolle, solange sie das wichtigste katholische Ehegebot befolgen: Die Ehe dauert lebenslang. So steht es in § 1353 des Familienrechts: „Die Ehe wird auf Lebenszeit geschlossen“.

Nun weiß jedes Kind, dass das nicht stimmt: Eltern trennen sich, und Ehen werden geschieden. In den §§ 1564-1568 des Familienrechts steht, wie das geht. Was soll also der Lebenszeit-Paragraf? Den wünscht die Kirche; denn das ist ihr Dogma. Das würde sie gern von der Staatsmacht durchsetzen lassen und die Scheidung verbieten. Da das nicht durchführbar ist, unterstützt die autoritäre Kirche die zweitbeste Lösung, Verstöße gegen ihre Gebote zu bestrafen.

Zum strafen hat der Staat seine Gerichte. Familiengerichte, die über Scheidungen befinden, strafen von Rechts wegen nicht. Deswegen gelten die von ihnen verhängten Strafen nicht als Strafen. Sind sie aber doch; denn wie alle anderen Strafen sollen sie ein gewünschtes Verhalten herbeiführen und von einem ungewünschten abschrecken. Die Bestrafungsnatur der Scheidungsurteile war früher offensichtlicher, als der Bestrafung die Feststellung einer Schuld vorausging und nur der Schuldige bestraft wurde. Die Schuld wurde abgeschafft, weil auch Frauen schuldig gesprochen werden konnten. Das Strafen aber behielt man bei, nur wird jetzt automatisch immer der Mann bestraft.

Bei den Strafen handelt es sich um Geldzahlungen, die von einem der Partner an den anderen zu leisten sind, früher von dem Schuldigen and den Nicht-Schuldigen, heute vom Mann an die Frau. Offiziell heißt die Strafzahlung Unterhaltszahlung. Sie galt als Ausgleich dafür, dass Frauen früher Haushalt und Kinder versorgten und sich nicht am Erwerbsleben beteiligten. Diese von der Kirche weiterhin gepredigte Arbeitsteilung wird den Scheidungsurteilen zugrunde gelegt. Ob das Paar sie tatsächlich praktiziert hat, interessiert nicht; es geht ja nicht wirklich um Unterhalt sondern um Bestrafung. Neben der Zahlung gehört zur Strafe die Beschränkung des Umgangs des zahlungspflichtigen Vaters mit seinen Kindern. Das kommt oft einer Abschaffung des Vaters gleich, und damit wird auch das Kind zum Bestrafungsopfer.

Nahezu die Hälfte der Ehen wird wieder geschieden, und die Rate steigt weiter. Zu einer Verminderung dieser Zahlen tragen die Bestrafungen nichts bei. Das ist auch nicht zu erwarten; denn was der Mann an Strafe zahlt, landet bei der Frau: Er wird bestraft, sie wird belohnt. Das ist Anreiz zur Scheidung, und folgerichtig werden die meisten Scheidungsanträge von Frauen gestellt.

Familienpolitik und -justiz, die von Partnerschaft nichts verstehen, für Kinder nichts als Kindeswohlgeschwätz übrig haben, Recht nicht von Unrecht unterscheiden, massenhaft Alleinerzieher, Alleinerzogene und Alleinzahler produzieren: das ist Versagen auf der ganzen Linie. Das passt zu einem Obrigkeitsstaat in katholisch-preußisch-nationalsozialistischer Tradition, nicht aber zu einer modernen Demokratie, als die sich die Bundesrepublik (in anderen Bereichen durchaus zu Recht) ausgibt.

Die Aufgabe der gebotenen Neutralität des Staates und seine Parteinahme für die Frauen hat ihren Ursprung in einer bedauerlichen Abart des Feminismus. Das beschreibt die Seite Pseudo-Feminismus.