Lupenreiner Obrigkeitsstaat

Nach Jahrhunderten von Obrigkeitsstaaten hat Deutschland erstmals in seiner Geschichte eine stabile Demokratie. An der Gründung der Bundesrepublik (BRD) und der Formulierung einer neuen Verfassung waren die westlichen Alliierten beteiligt, die mit Demokratie mehr Erfahrung hatten. Bei den Deutschen stieß die neue Staatsform jedoch nicht auf einhellige Zustimmung. So hätte sich der CDU-Kanzler und ehemalige Zentrumspolitiker Adenauer wohl lieber einen hierarchisch gegliederten und katholisch-autoritär geführten Staat gewünscht. Immerhin konnte er viele der Gestalter des nationalsozialistischen Obrigkeitsstaates dafür gewinnen, an dem neuen Gebilde mitzuwirken (mehr). Eine Identifizierung mit demokratischen Werten ließ später auch der SPD-Kanzler Schröder vermissen, als er den russischen Präsidenten als „lupenreinen Demokraten“ bezeichnete.

Von ähnlicher Lupenreinheit, wenn auch etwas besser kaschiert, ist der „freiheitlich-demokratische Rechtsstaat“ BRD. Sein Rechtswesen schufen alte Nazis nach altem Muster mit alten Köpfen. Mit einer Gewaltenteilung, bei der die voneinander unabhängigen Gewalten sich gegenseitig kontrollieren, hielten die sich nicht auf. Wie zuvor im preußischen Staat, in der Weimarer Republik und der NS-Diktatur waren sie aber gern bereit, den Wünschen der jeweiligen Regierung zu entsprechen. Lupenrein obrigkeitsstaatlich ist bis heute das Familienrecht der BRD. Das wurde von einem stramm katholischen Nationalsozialisten neu formuliert und ausgelegt. Mehr als ein stramm katholisch-nationalsozialistisches Machwerk kam dabei nicht heraus (mehr).

Das mag sehr im Sinne der Anhänger des politischen Katholizismus, der wieder vermehrt in der Öffentlichkeit auftretenden Verfechter von NS-Gedankengut und der in beiden Welten beheimateten traditionell obrigkeitsstaatlichen Richterschaft sein. Für Familien hat es nichts übrig. Was Familie für ihre Mitglieder und die Volksgemeinschaft wertvoll macht, das Vertrauen zwischen den Partnern, das Eintreten füreinander und Kümmern umeinander, das Zusammenfinden bei Differenzen, die gemeinsame liebevolle Sorge für Kinder, Fairness, Anstand, Nachsicht, all das wird von den staatlichen Familienfürsorgern mit Füßen getreten.

Jämmerlicher könnten ihre Ergebnisse kaum sein: zu viele Scheidungen der „auf Lebenszeit“ geschlossenen Ehen, zu viele alleinerziehende Eltern, zu viele alleinerzogene Kinder, zu viel Armut bei den Alleinerziehungsfamilien. Das meiste davon wäre vermeidbar, würde der Staat die Finger von den Familien lassen, würde er sie nicht mit missionarischem Eifer, Besserwisserei, Zurechtweisung, Disziplinierung und Bestrafungswut verfolgen. Das alles passt zu einem Obrigkeitsstaat, der die Interessen von wenigen wahrnimmt. Zu einem freiheitlich-demokratischen Rechtsstaat passt das nicht.

Die verborgenen Fallstricke für Familien

Der Unterschied könnte kaum größer sein: Glück pur am Anfang und hasserfüllte Feindschaft ein paar Jahre später. Diesen typischen Verlauf nimmt fast die Hälfte aller Ehen mit oder ohne Kinder. Wie kommt es zu dieser radikalen Kehrtwende? Da stimmt doch etwas nicht. Entweder liegen die Leute am Anfang falsch oder am Ende oder beide Male. Wir nennen hier drei Gründe, die miteinander dazu beitragen, dass sich die Partner entzweien: ihr Umgehen mit ihren Emotionen, Lerninhalte aus ihrer Vergangenheit und das ihnen vom Staat nahegebrachte Rechtsdenken.

Zwischenmenschliche Beziehungen im allgemeinen und in einer Partnerschaft im besonderen werden beherrscht von Emotionen. Auch wenn sie gegenüber den Alltagsaktivitäten in den Hintergrund treten, sind sie doch immer präsent und oft prominent. Sympathie, Anteilnahme, Aufmerksamkeit, Wertschätzung machen die Partnerschaft wertvoll. Sie schaffen Freude, Glück, Liebe und Vertrauen. Die werden aber nicht automatisch mit dem Trauschein geliefert und sind auch nicht auf Lebenzeit garantiert. Vielmehr muss man sich ständig um sie bemühen. Wenn das nicht geschieht, wenn Aufmerksamkeit und Wertschätzung füreinander nachlassen, wenn Vertrauen verloren geht und enttäuschte Erwartungen zunehmen, dann können die positiven Gefühle in Ablehnung, Ärger, Zorn, Wut und Hass umschlagen. Das ist ein enormer Verlust, und er wäre so leicht zu vermeiden!

Ein wichtiger Teil jeder Persönlichkeit sind Lerninhalte aus der Vergangenheit. Kinder beobachten und kopieren in ihren ersten Lebensjahren das Verhalten der Eltern und verhalten sich später ebenso. Sie wissen nichts davon, können nicht zwischen gutem und schlechtem, aufbauendem und zerstörendem Verhalten unterscheiden und können kaum etwas daran ändern. Ob vernünftig oder unsinnig, was sie übernommen haben, ist ihre Wirklichkeit und ihre Normalität. So kann ein harmloses Schlüsselwort eine Tirade von Aggressionen auslösen. So werden Kinder von ihren Eltern misshandelt, weil die in ihrer Kindheit von ihren eigenen Eltern misshandelt wurden. So verhalten sich Erwachsene wie Kinder, weil ihnen die Eltern das vorgelebt haben. So kann auch die o.g. Vernachlässigung positiver Emotionen von den Eltern übernommen sein.

Für einen Partner mit einer anderen Vergangenheit ist all das schwer zu verstehen und zu ertragen. Mit Vorhaltungen und Vernunftargumenten ist dem nicht beizukommen. Wenn allerdings der oder die andere bereit ist, mit Liebe, Nachsicht und Anteilnahme ein belastendes Verhalten mitzutragen, kann das die Last vermindern und vielleicht sogar beseitigen.

Ist der Partner dazu nicht in der Lage, geraten viele an falsche Freunde. Anwälte für Familienrecht kümmern sich scheinbar einfühlsam und verständnisvoll um die Nöte ihrer Mandanten. Sie verstehen aber nur etwas davon, wie man Partner entzweit, nicht dagegen, wie man sie versöhnt. Rechtsdenken und Partnerschaft sind Gegensätze, die nicht zusammen passen. Wer die Vollmacht eines Anwalts unterschreibt, um „sein gutes Recht“ wahrzunehmen, läutet damit unwiderruflich das Ende seiner Partnerschaft ein. Das verhindert in der Regel auch die Verständigung in der Zeit danach, die eine wichtige Voraussetzung für eine gemeinsame Elternschaft ist.

Das ist so gewollt. Deutsche Familienpolitik und -justiz setzen nämlich die Tradition der christlichen Kirchen früherer Jahrhunderte fort. Wie gut es den Familien geht, ist ihnen gleichgültig. Sie kümmern sich ausschließlich um die Bewahrung des kirchlichen Gebotes, nach dem eine Ehe lebenslang zu halten habe. Verstöße gegen das Lebenzeitgebot bekämpfen sie, indem sie die Sünder bestrafen und Reste der angeblich „gescheiterten“ Familien beseitigen. Damit machen sie jede Scheidung und Trennung zu einer Katastrophe, ohne Rücksicht auf die Familien und vor allem auf die Kinder. Was sie damit für die Langlebigkeit der Ehen erreichen, ist an der hohen Scheidungsrate abzulesen. Aber eine Erfolgskontrolle haben diese Kreise nicht nötig, und das Kaputtmachen ist ihnen Erfolg genug.

Die mangelnde Pflege positiver Emotionen, die belastenden Überbleibsel aus der Kindheit und die Familienfeindlichkeit der christlichen Staatsagenda tragen gemeinsam zu der bedauerlich hohen Zahl von Familienauflösungen bei. Gemeinsam können Partner es schaffen, den Staat von ihrer Familie fernzuhalten. Sie haben dann immer noch genug zu tun, um ihre Partnerschaft langfristig mit Leben zu erfüllen. Die Mühe lohnt sich, und die Aussichten auf Erfolg sind ungleich höher als bei all den staatlichen Straf- und Zwangsmaßnahmen.

Anwälte für Kinder

Bei Kindern scheiden sich die Geister: Die einen wollen sie, die anderen nicht. Die einen sehen sie als Gewinn, die anderen als Last. Die einen machen die Arbeit, die anderen sich Gedanken. Die einen nützen den Kindern, die anderen benutzen sie. Die einen wollen eigenständige Erwachsene, die anderen angepasste Untertanen. Jeder vertritt seine Sicht mit großer Überzeugung, und jeder fühlt sich berufen, im Namen und Interesse der Kinder zu sprechen.

Deren Stimme hört man dazu nicht. Die sind mit Wichtigerem beschäftigt. In der ersten Lebensphase geht es für sie ums Überleben, und dafür sind sie auf ihre Eltern angewiesen. Als Neugeborene beginnen sie aber bereits, von ihren Eltern zu lernen. Sie prägen sich ein, wie sich Eltern in verschiedenen Situationen verhalten, welche Gefühle (z.B. Freude, Angst, Wut) sie dabei haben und welche Folgehandlungen (Flucht, Aggression) die Gefühle auslösen. Sie merken sich, wie die Eltern miteinander, mit ihren Kindern und mit anderen Menschen umgehen.

Bei diesem Lernen sind beide Eltern wichtig, und keiner ist wichtiger als der oder die andere. Wächst ein Kind bei nur einem Elternteil auf, geht ihm der Beitrag des anderen und damit ein Teil der Entwicklung seiner Persönlichkeit verloren. Erlebt das Kind nicht die Eltern miteinander, lernt es nicht, was Partnerschaft ist. Es wird Schwierigkeiten haben, einen Partner zu finden und eine Partnerschaft zu gestalten. „Vaterlos aufwachsende Kinder erfahren Einschränkungen in ihrer Identitäts- und Selbstwertentwicklung, in ihrer Bindungs- und Beziehungsfähigkeit und in ihrer Leistungsfähigkeit“, sagt Wera Fischer zum Thema „Wieviel Vater braucht ein Kind?“.

Generationen von Deutschen haben als Kinder auf ihre Väter verzichten müssen. Die wurden in Kriegen verheizt, von ihrer Arbeit aufgefressen oder von Familiengerichten abgeschafft. Noch immer wird in weiten Teilen der Gesellschaft die Rolle des Vaters für die Entwicklung des Kindes verkannt, werden Väter für entbehrlich gehalten. Kinder mögen dazu keine Worte machen, aber ihr Verhalten lässt erkennen, dass sie das ganz anders sehen. Mit der gerichtlichen Abschaffung des Vaters auf Antrag der Mutter ändert sich auch deren Rolle: Aus der liebevollen, fürsorglichen, im Kindesinteresse handelnden Mutter wird die klammernde, manipulierende, das Kind für ihren persönlichen Vorteil nutzende Alleinerziehende. Bei Gericht nennt man das „Kindeswohl“.

Was diese bedauernswerten Kinder von ihren Eltern erfahren, werden sie als Normalität an ihre eigenen Kinder weitergeben. Auch sie werden mit Wahrscheinlichkeit die Kinder für ihre eigenen Zwecke benutzen. Bekleiden sie später öffentliche Ämter, werden aus ihnen missbrauchende Geistliche, selbstgefällige Politiker, berechnende Anwälte und verantwortungslose Richter. Auch die leisten ihren Beitrag zur Fortsetzung der Misere.

Die Anwälte, die Kinder wirklich brauchen, sind ihre eigenen Eltern, nicht einen von ihnen sondern beide, nicht allein sondern gemeinsam erziehend und gemeinsam auch dann, wenn sie getrennt leben sollten. Anders als der Trauschein sollte diese Verbindung zwischen Kindern und ihren Eltern wirklich lebenslang Bestand haben. Dafür müssen Eltern sorgen, wenn nötig gegen alle Anwälte und Richter. Das Wohl ihrer Kinder sollte ihnen das wert sein.