Ehe gegen Familie

Ehe und Familie gehören zusammen. Das haben schon immer die christlichen Kirchen ihren Gläubigen verkündet. Das hat die staatliche Familienpolitik von den Kirchen übernommen. So erklärt es das Gesetz im Familienrecht in Buch 4 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). Davon gehen Familiengerichte aus, wenn sie über Scheidungen befinden. Dem folgen auch Paare, wenn sie zur Gründung einer Familie eine Ehe eingehen.

Die wenigsten wissen allerdings, worauf sie sich da einlassen. Das erfahren sie erst, wenn es in ihrer Ehe nicht wunschgemäß läuft, wenn sie uneins sind und die Meinungsverschiedenheiten nicht überwinden können, wenn gar eine Trennung oder Scheidung ansteht. Die dann ablaufende Routine passt so gar nicht zu dem, was sie sich bei der Familiengründung vorstellten. Es gibt also gute Gründe, frühzeitig genau hinzuschauen, was es mit dem Einheitsbrei von Ehe und Familie auf sich hat.

Bei der Familie geht es um zwei Dinge: Partnerschaft und Kinder. Menschen sehnen sich nach einem Partner, möchten lieben und geliebt werden, sind bereit, sich zu engagieren und Opfer zu bringen, sehen in der Familie eine wichtige Aufgabe, die ihrem Leben einen Sinn gibt. Familie ist der Ort, an dem Kinder behütet aufwachsen. Hier erwerben sie durch Kopieren ihrer beiden Eltern das Rüstzeug, mit dem sie später ihre eigene Partnerschaft und ihre Rolle in der Gesellschaft gestalten werden. Auch wenn Partnerschaft und Kindererziehung immer wichtige Aufgaben der Familie bleiben werden, gibt es doch beim Verhalten der Eltern zueinander und zu ihren Kindern, bei den Werten und Zielen einer Familie und bei ihrer Wertschätzung in der Gesellschaft erhebliche Unterschiede. Die ändern sich im Laufe der Zeit. Die Familie und Familienwerte unterliegen einem ständigen Wandel.

Der Sinn und Zweck einer Ehe ist weniger leicht zu erkennen. Sie wurde vor knapp 900 Jahren von der christlichen Kirche erfunden und den Familien verordnet. Als Werk Gottes galt sie als unauflöslich und unabänderlich. Die Kirche widersetzt sich seither allen Anpassungen an Veränderungen in der Gesellschaft und bei den Familien. Nach wie vor vertritt sie die ursprüngliche Arbeitsteilung, nach der der Mann erwerbstätig ist und die Frau Haushalt und Kinder zu versorgen hat. Unbeirrt besteht sie darauf, dass die eingegangene Ehegemeinschaft lebenslang zu bestehen habe und nicht gekündigt werden kann.

Die wandlungsfähige Familie und die wandlungsresistente Ehe driften immer weiter auseinander. In diesem Zwiespalt stellen sich Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtsprechung der Bundesrepublik voll auf die Seite der Kirche und ihrer Ehe und damit gegen die Familie. Katholische Glaubenssätze stehen in dem als Familienrecht bezeichneten Eherecht, so das Lebenszeitgebot in § 1353 BGB. Bei Scheidungen legen Familiengerichte die von der Kirche propagierte Aufgabenverteilung zugrunde. Eheverzicht wird mit Diskriminierung geahndet. Wer gegen das Lebenszeitgebot verstößt, wird mit Zahlungsverpflichtungen und Kindesentzug bestraft. Um die Absicht hinter den staatlichen Maßnahmen zu vertuschen, werden die mit klangvollen Worten wie „Unterhalt“, „Kindeswohl“ oder „gemeinsame Sorge“ schöngeredet.

Familienwerte wie Fürsorge, Verantwortung, Vertrauen, Nachsicht, sind ein wertvolles Gut, das es zu bewahren gilt. Das bekommt man nicht bei seinem Staat und erst gar nicht als Dreingabe mit dem Trauschein. Das muss man sich immer wieder erarbeiten, wird dafür aber auch mit einem Gewinn an Lebendigkeit, Zufriedenheit und Lebensglück belohnt. Wer dagegen auf Gewinnstreben, Rechthaben und Vergeltung setzt, wie das die staatlichen Ehe-Verfechter nahelegen, entzieht der Familie ihre Grundlage. Wer wirklich Familie will, muss das ohne diesen Staat und seine katholische Ehe machen.

Lupenreiner Obrigkeitsstaat

Nach Jahrhunderten von Obrigkeitsstaaten hat Deutschland erstmals in seiner Geschichte eine stabile Demokratie. An der Gründung der Bundesrepublik (BRD) und der Formulierung einer neuen Verfassung waren die westlichen Alliierten beteiligt, die mit Demokratie mehr Erfahrung hatten. Bei den Deutschen stieß die neue Staatsform jedoch nicht auf einhellige Zustimmung. So hätte sich der CDU-Kanzler und ehemalige Zentrumspolitiker Adenauer wohl lieber einen hierarchisch gegliederten und katholisch-autoritär geführten Staat gewünscht. Immerhin konnte er viele der Gestalter des nationalsozialistischen Obrigkeitsstaates dafür gewinnen, an dem neuen Gebilde mitzuwirken (mehr). Eine Identifizierung mit demokratischen Werten ließ später auch der SPD-Kanzler Schröder vermissen, als er den russischen Präsidenten als „lupenreinen Demokraten“ bezeichnete.

Von ähnlicher Lupenreinheit, wenn auch etwas besser kaschiert, ist der „freiheitlich-demokratische Rechtsstaat“ BRD. Sein Rechtswesen schufen alte Nazis nach altem Muster mit alten Köpfen. Mit einer Gewaltenteilung, bei der die voneinander unabhängigen Gewalten sich gegenseitig kontrollieren, hielten die sich nicht auf. Wie zuvor im preußischen Staat, in der Weimarer Republik und der NS-Diktatur waren sie aber gern bereit, den Wünschen der jeweiligen Regierung zu entsprechen. Lupenrein obrigkeitsstaatlich ist bis heute das Familienrecht der BRD. Das wurde von einem stramm katholischen Nationalsozialisten neu formuliert und ausgelegt. Mehr als ein stramm katholisch-nationalsozialistisches Machwerk kam dabei nicht heraus (mehr).

Das mag sehr im Sinne der Anhänger des politischen Katholizismus, der wieder vermehrt in der Öffentlichkeit auftretenden Verfechter von NS-Gedankengut und der in beiden Welten beheimateten traditionell obrigkeitsstaatlichen Richterschaft sein. Für Familien hat es nichts übrig. Was Familie für ihre Mitglieder und die Volksgemeinschaft wertvoll macht, das Vertrauen zwischen den Partnern, das Eintreten füreinander und Kümmern umeinander, das Zusammenfinden bei Differenzen, die gemeinsame liebevolle Sorge für Kinder, Fairness, Anstand, Nachsicht, all das wird von den staatlichen Familienfürsorgern mit Füßen getreten.

Jämmerlicher könnten ihre Ergebnisse kaum sein: zu viele Scheidungen der „auf Lebenszeit“ geschlossenen Ehen, zu viele alleinerziehende Eltern, zu viele alleinerzogene Kinder, zu viel Armut bei den Alleinerziehungsfamilien. Das meiste davon wäre vermeidbar, würde der Staat die Finger von den Familien lassen, würde er sie nicht mit missionarischem Eifer, Besserwisserei, Zurechtweisung, Disziplinierung und Bestrafungswut verfolgen. Das alles passt zu einem Obrigkeitsstaat, der die Interessen von wenigen wahrnimmt. Zu einem freiheitlich-demokratischen Rechtsstaat passt das nicht.

Das Versagen deutscher Familienpolitik

Deutschen Familien geht es gut, wird gesagt. Dafür sorgen die 500 Paragraphen des deutschen Familienrechts. Ja, Kinder kosten Geld, aber der Staat hilft kräftig mit. Der hat es auch geschafft, dass sich immer mehr Väter an den Arbeiten im Haus und bei der Kinderbetreuung beteiligen und dass immer mehr Mütter ihren Beruf ausüben können, wenigstens in Teilzeit oder mit Homeoffice. Der Staat kümmert sich um die Betreuungseinrichtungen für die Kinder. Das Kindeswohl hat höchste Priorität. Der Staat ist für seine Familien da.

Woher kommen dann wohl die vielen Alleinerziehenden? Warum müssen so viele Kinder auf einen ihrer Eltern und damit auf einen Teil ihrer Entwicklung verzichten? Warum sind diese alleinerzogenen Kinder armutsgefährdet und damit doppelt benachteiligt? Was ist mit den Frauen in Berufen, die mit Teilzeit oder Homeoffice nicht zu machen sind?  Warum müssen die Familien neben ihren vielen zusätzlichen Belastungen auch noch die Einkommen der vielen Scheidungsanwälte finanzieren? Sieht so die ideale Familienpolitik aus?

Probleme haben nur die, wird gesagt, die sich nicht an die rechte Ordnung halten, und die sieht so aus:

1. Ordentliche Eltern sind verheiratet. Sonst werden sie natürlich bei Steuern, beim Erben, bei der Immobilienfinanzierung, bei der Sorgeberechtigung für ihre Kinder schlechter gestellt, sprich diskriminiert.

2. Eine ordentliche Ehe dauert lebenslang. Das hat der liebe Gott beschlossen und durch seine Kirche der Menschheit mitteilen lassen. Deswegen steht das so in § 1353 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) der Bundesrepublik: „Die Ehe wird … auf Lebenszeit geschlossen“.

3. Wer gegen die Gebote Gottes, der Kirche und des BGB verstößt und sich scheiden lässt, muss sich nicht wundern, wenn seine Familie davon Nachteile hat. Das liegt aber nicht am Staat, sondern an den Familien, genauer gesagt an den bösen Vätern.

Warum werden dann wohl 85 % der Scheidungsanträge von den Frauen gestellt? Warum müssen die Kinder ausbaden, was angeblich die Väter verschulden? Warum sollten Väter einfach davonlaufen und ihre Kinder im Stich lassen? Ist alles ein bisschen einfach, womit sich die Familienrechthaber im hochgejubelten deutschen Rechtsstaat da herausreden. Schauen wir genauer hin!

Die Ehe als einzig akzeptierte Lebensform für Eltern hat der Staat von den Kirchen übernommen. Er hat sie mit einer finanziellen Mitgift ausgestattet, die zunächst den Eheverzicht als wirtschaftlich unvorteilhaft erscheinen lässt. Das Ehe- und Familienrecht entspricht weitgehend den katholischen Vorstellungen. Die 1885 gegen den kirchlichen Widerstand eingeführte Scheidung der Lebenszeitehe wurde zwar nicht zurückgenommen. Dafür wurde die aufgelöste Ehe als „gescheitert“ abgewertet und mit abschreckenden, familienfeindlichen Sanktionen belegt. Dazu gehören Parteinahme für die Mütter, Schuldzuweisungen an die Väter, Strafzahlungen unter dem beschönigenden Begriff „Unterhalt“ und Behinderungen von Eltern-Kind-Beziehungen bis hin zur Abschaffung des Vaters oder, deutlich seltener, der Mutter. Der übliche Streit, der den Ex-Partnern angelastet wird und der die Verständigung nach der Trennung nahezu unmöglich macht, ist überwiegend auf diesem staatlichen Mist gewachsen.

Das Lebenszeitgebot ließ sich die Kirche im Jahr 1139 einfallen. Wie viele andere ihrer mittelalterlichen Einfälle diente es dazu, die Menschen mit immer neuen Vorschriften zu gängeln. Das ist alles andere als göttliche Eingebung. Sicher hat die lange Dauer einer Partner- und Elternschaft besonderen Wert. Sie lässt sich aber nicht durch ein Gebot oder Gesetz verordnen und durch Strafen erzwingen. Die Partner müssen sie selbst wollen und sich erarbeiten.

Dabei könnten sie Hilfe brauchen, aber die finden nur wenige. Dagegen haben das Lebenszeit-Gebot und die übliche Bestrafung seiner Übertretung eher den gegenteiligen Effekt: sie tragen zu der unangemessen hohen Scheidungsrate bei. Mütter lockt der Staat mit der Aussicht auf Geldzahlungen vom Vater, den Antrag auf Scheidung zu stellen, um dann seine schöne Bestrafungsmaschinerie in Gang zu setzen. Das ist Familienrecht pervers.

Eine sachliche, neutrale, verantwortungsvolle, fürsorgliche Familienpolitik, bei der der Staat sich nicht als Missionar für eine fundamentalistische Religionsgemeinschaft betätigt, muss anders aussehen.

Die verborgenen Fallstricke für Familien

Der Unterschied könnte kaum größer sein: Glück pur am Anfang und hasserfüllte Feindschaft ein paar Jahre später. Diesen typischen Verlauf nimmt fast die Hälfte aller Ehen mit oder ohne Kinder. Wie kommt es zu dieser radikalen Kehrtwende? Da stimmt doch etwas nicht. Entweder liegen die Leute am Anfang falsch oder am Ende oder beide Male. Wir nennen hier drei Gründe, die miteinander dazu beitragen, dass sich die Partner entzweien: ihr Umgehen mit ihren Emotionen, Lerninhalte aus ihrer Vergangenheit und das ihnen vom Staat nahegebrachte Rechtsdenken.

Zwischenmenschliche Beziehungen im allgemeinen und in einer Partnerschaft im besonderen werden beherrscht von Emotionen. Auch wenn sie gegenüber den Alltagsaktivitäten in den Hintergrund treten, sind sie doch immer präsent und oft prominent. Sympathie, Anteilnahme, Aufmerksamkeit, Wertschätzung machen die Partnerschaft wertvoll. Sie schaffen Freude, Glück, Liebe und Vertrauen. Die werden aber nicht automatisch mit dem Trauschein geliefert und sind auch nicht auf Lebenzeit garantiert. Vielmehr muss man sich ständig um sie bemühen. Wenn das nicht geschieht, wenn Aufmerksamkeit und Wertschätzung füreinander nachlassen, wenn Vertrauen verloren geht und enttäuschte Erwartungen zunehmen, dann können die positiven Gefühle in Ablehnung, Ärger, Zorn, Wut und Hass umschlagen. Das ist ein enormer Verlust, und er wäre so leicht zu vermeiden!

Ein wichtiger Teil jeder Persönlichkeit sind Lerninhalte aus der Vergangenheit. Kinder beobachten und kopieren in ihren ersten Lebensjahren das Verhalten der Eltern und verhalten sich später ebenso. Sie wissen nichts davon, können nicht zwischen gutem und schlechtem, aufbauendem und zerstörendem Verhalten unterscheiden und können kaum etwas daran ändern. Ob vernünftig oder unsinnig, was sie übernommen haben, ist ihre Wirklichkeit und ihre Normalität. So kann ein harmloses Schlüsselwort eine Tirade von Aggressionen auslösen. So werden Kinder von ihren Eltern misshandelt, weil die in ihrer Kindheit von ihren eigenen Eltern misshandelt wurden. So verhalten sich Erwachsene wie Kinder, weil ihnen die Eltern das vorgelebt haben. So kann auch die o.g. Vernachlässigung positiver Emotionen von den Eltern übernommen sein.

Für einen Partner mit einer anderen Vergangenheit ist all das schwer zu verstehen und zu ertragen. Mit Vorhaltungen und Vernunftargumenten ist dem nicht beizukommen. Wenn allerdings der oder die andere bereit ist, mit Liebe, Nachsicht und Anteilnahme ein belastendes Verhalten mitzutragen, kann das die Last vermindern und vielleicht sogar beseitigen.

Ist der Partner dazu nicht in der Lage, geraten viele an falsche Freunde. Anwälte für Familienrecht kümmern sich scheinbar einfühlsam und verständnisvoll um die Nöte ihrer Mandanten. Sie verstehen aber nur etwas davon, wie man Partner entzweit, nicht dagegen, wie man sie versöhnt. Rechtsdenken und Partnerschaft sind Gegensätze, die nicht zusammen passen. Wer die Vollmacht eines Anwalts unterschreibt, um „sein gutes Recht“ wahrzunehmen, läutet damit unwiderruflich das Ende seiner Partnerschaft ein. Das verhindert in der Regel auch die Verständigung in der Zeit danach, die eine wichtige Voraussetzung für eine gemeinsame Elternschaft ist.

Das ist so gewollt. Deutsche Familienpolitik und -justiz setzen nämlich die Tradition der christlichen Kirchen früherer Jahrhunderte fort. Wie gut es den Familien geht, ist ihnen gleichgültig. Sie kümmern sich ausschließlich um die Bewahrung des kirchlichen Gebotes, nach dem eine Ehe lebenslang zu halten habe. Verstöße gegen das Lebenzeitgebot bekämpfen sie, indem sie die Sünder bestrafen und Reste der angeblich „gescheiterten“ Familien beseitigen. Damit machen sie jede Scheidung und Trennung zu einer Katastrophe, ohne Rücksicht auf die Familien und vor allem auf die Kinder. Was sie damit für die Langlebigkeit der Ehen erreichen, ist an der hohen Scheidungsrate abzulesen. Aber eine Erfolgskontrolle haben diese Kreise nicht nötig, und das Kaputtmachen ist ihnen Erfolg genug.

Die mangelnde Pflege positiver Emotionen, die belastenden Überbleibsel aus der Kindheit und die Familienfeindlichkeit der christlichen Staatsagenda tragen gemeinsam zu der bedauerlich hohen Zahl von Familienauflösungen bei. Gemeinsam können Partner es schaffen, den Staat von ihrer Familie fernzuhalten. Sie haben dann immer noch genug zu tun, um ihre Partnerschaft langfristig mit Leben zu erfüllen. Die Mühe lohnt sich, und die Aussichten auf Erfolg sind ungleich höher als bei all den staatlichen Straf- und Zwangsmaßnahmen.

Das Märchen vom Rechtsstaat Deutschland

Die katholisch-nationalsozialistische Kontinuität im Familienrecht

Täglich lassen uns Politiker und Journalisten wissen, dass wir in einem Rechtsstaat leben. Sie wollen damit andeuten, dass wir nicht nur eine moderne Demokratie, sondern auch eine vorbildlich funktionierende Rechtsprechung haben, im Gegensatz zu vielen anderen. Wer etwas genauer hinschaut, sieht leider auch bei unserem hochgelobten Rechtssystem erhebliche Defizite. Die gehen auf zwei verhängnisvolle Fehlentscheidungen der ersten Nachkriegs-Regierung zurück, die später nicht mehr korrigiert wurden.

Gerade waren 1949 – unter Mitwirkung der Alliierten – die Bundesrepublik gegründet und das Grundgesetz (GG) verabschiedet worden. Da legte die neue Regierung unter Kanzler Adenauer – ohne Mitwirkung der Alliierten – die Neuordnung der Rechtsprechung ausgerechnet in die Hände jener Juristen, die zuvor das Recht an die Vorstellungen der Nationalsozialisten angepasst und an ihrer Terrorjustiz mitgewirkt hatten (Details siehe: Görtemaker M. und Safferling C. Die Akte Rosenburg. Das Bundesministerium der Justiz und die NS-Zeit. Bundeszentrale für politische Bildung, Schriftenreihe Band 10076, 2017). Adenauer soll das mit den Worten gerechtfertigt haben, man schütte nicht schmutziges Wasser weg, bevor man sauberes hat. So schmutzig kann ihm die braune Brühe nicht erschienen sein; denn um sauberes Wasser hat er sich nicht bemüht und andere auch nicht. Zwar sind die Nazi-Juristen inzwischen ausgestorben, aber ihre Rechtsauffassungen, ihre Gesetze und ihr mangelndes Unrechtsbewusstsein leben in der Justiz der Bundesrepublik fort.

Federführend bei der Neufassung des Familienrechts war Franz Massfeller. Er hatte dieses Gebiet bereits im Reichsjustizministerium bearbeitet und sich mit zahlreichen Schriften einen Namen als Experte gemacht. Er war Katholik und Mitglied einer katholischen Studentenverbindung und des „Katholischen Beamtenvereins“. Als es opportun wurde, trat er mehreren NS-Organisationen bei. Seine Mitwirkung bei der Judenverfolgung nach der Wannsee-Konferenz und seine Zusammenarbeit mit Adolf Eichmann liegen im Dunkeln, haben ihm aber immer wieder den Vorwurf eines Judenmörders und Kriegsverbrechers eingetragen. Der wurde zwar durch Zeugenaussagen eines Verbindungsbruders und ebenfalls belasteter NS-Kollegen entkräftet, führte aber dennoch zu seinem vorzeitigen Ruhestand. Bis dahin hatte er über 30 Jahre die Gesetzgebung und Kommentierung im deutschen Familienrecht dominiert und in der BRD für eine Fortsetzung der katholisch-nationalsozialistischen Familienpolitik und -rechtsprechung gesorgt (o.g. bpb-Band, S. 306ff).

Die zweite Fehlentscheidung der Adenauerregierung war eine Folge der ersten. Die Nazi-Juristen in BRD-Diensten konnten mit dem ohne ihre Mitwirkung zustande gekommenen Grundgesetz nichts anfangen. Auch nicht mit seinem Art. 20, der die Aufteilung der staatlichen Macht in die drei voneinander unabhängigen Gewalten Gesetzgebung, vollziehende Gewalt (Regierung-Verwaltung) und Rechtsprechung vorsieht. Damit soll die Konzentration der Macht in einer Hand und damit ein Machtmissbrauch verhindert werden. Mit dem hatten und haben weder die alten Nazis noch die neuen Demokraten ein Problem, sofern sie selbst die Macht missbrauchen und selbst über eine Verfolgung befinden. So ignorierten sie einfach Art. 20 GG und setzten eine wirkliche Gewaltenteilung niemals in die Praxis um.

Mit Ausnahme des Bundesverfassungsgerichts ist die Justiz der Bundesrepublik der Regierung untergeordnet (gewaltenteilung.de). Die bestimmt, welcher Richter berufen oder befördert wird und ob ein Staatsanwalt einen Fall zu verfolgen hat oder nicht. „Wes Brot ich ess‘, des Lied ich sing“ gilt auch im deutschen „Rechtsstaat“. In ihm hat Macht Vorrang vor Recht, und Rechtsprechung dient der Machtausübung. Als die Parlamentarische Versammlung des Europarates am 30.09.2009 die Abhängigkeit der deutschen Justiz von der Regierung beanstandete und Änderungen anmahnte, änderte sich daran nichts.

Macht über Familien hatte seit jeher die christliche und vor allem die katholische Kirche. Die gab sie auch nicht auf, als unter Bismarck gegen ihren Widerstand die Zivilehe mit der Möglichkeit der Scheidung eingeführt wurde. Nur übt sie ihren Einfluss jetzt über die Massfellers und ihre Nachfolger oder, besser noch, die Politiker direkt aus. Dafür stand ihr der bekennende Katholik und ehemalige Zentrumspolitiker Adenauer zur Verfügung. Das machen aber auch nicht-katholische, machtbewusste Politiker mit. Wenn deren häufige Begegnungen mit den geistlichen Würden- und Machtträgern bei staatstragenden Veranstaltungen nicht ausreichen, gibt es da noch das Katholische Büro in Berlin, um ihnen die höheren Eingebungen zu überbringen. Den Nationalsozialisten hatte man die ja auch schon erfolgreich beigebracht.

Für die Bedürfnisse von Familien tut das katholisch-nationalsozialistische Familienrecht der Bundesrepublik wenig. Dafür bestimmt es bis ins kleinste Detail, wer in oder nach einer Ehe wann was darf oder muss. Was alles der treusorgende Staat seinen Bürgern von ihren persönlichen Angelegenheiten abnimmt und lieber selbst entscheidet, ist in der bmjv-Publikation Das Eherecht zu bestaunen. Unerwähnt bleiben dort die Machtinteressen im Hintergrund: des politischen Katholizismus, des im Geiste immer noch mitmarschierenden Nationalsozialismus und des Vergeltungs-Feminismus (siehe früheren Beitrag „Vergeltungsfeminismus„). Das Wohl von Familien und Kindern spielt dabei keine Rolle; denn es geht um Macht.

Auch von den in Art. 1 bis 19 GG aufgeführten Grundrechten hält die Familienrechtsprechung wenig und setzt sich großzügig darüber hinweg. Keine Gültigkeit hat Art. 3 GG, der die Gleichberechtigung von Mann und Frau vorschreibt und untersagt, jemanden wegen seines Geschlechtes zu benachteiligen oder bevorzugen. Ignoriert wird Art. 4 GG, der die Freiheit des religiösen Bekenntnisses oder Nicht-Bekenntnisses garantiert; denn die in das Familienrecht aufgenommenen abstrusen katholischen Ehegebote hat jeder einzuhalten. Uminterpretiert wird Art. 6 GG „Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern“, indem aus „Eltern“ einfach „Mütter“ gemacht werden. Die in Satz 5 dieses Artikels vorgeschriebene Gleichstellung von ehelichen und unehelichen Kindern musste erst vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gegen höchste deutsche Familienrichter durchgesetzt werden.

Rechtsprechung in einem Rechtsstaat

  • unterscheidet zwischen Recht und Unrecht,
  • beachtet zumindest die simpelsten Regeln der Fairness,
  • wahrt die Neutralität zwischen den Parteien, über die sie urteilt,
  • wirkt eher streithemmend als streitfördernd und
  • trägt Verantwortung für die Folgen ihrer Entscheidungen.

Alles das tut die deutsche Familienjustiz nicht. Über das Ausmaß familienrechtlicher Unrechtsprechung informiert TrennungsFAQ.com. Die angepasste Öffentlichkeit und die allwissenden Medien werden davor wohl weiter lieber die Augen verschließen, sich an dem Rechtsstaat-Gelaber beteiligen und später mal wieder erklären: „wir haben ja nichts davon gewusst“. Sie könnten sich aber auch etwas besser informieren, z.B. auf dieser Internetseite oder mit meinem Büchlein „Verliebt Verlobt Verheiratet Verurteilt“.